Mein Schifferleben

Nachdem ich nun mittlerweile 45 Jahre in der Binnenschifffahrt tätig bin, habe ich mich entschlossen mal von ein paar Erlebnissen aus meiner Fahrzeit zu berichten. Viel Spaß beim Lesen.

Auf ging´s an Bord.

 Ich kann mich auch noch sehr gut an meine ersten Schritte in der Schiffahrt erinnern.

Im zarten Alter von 12 Jahren durfte ich in den Sommerferien bei meinem damaligen Nachbarn Edwin Selmke auf der MS Bevergern mitfahren. Das war ein ehemaliges WTAG Schiff ( ex Lingen ) mit den Maßen 67 x 8.20m. Nach den 4 Wochen an Bord war für mich klar, daß ich diesen Beruf machen wollte. Wie gesagt: Mir war das klar… meinen alten Herrschaften nicht. Also begann ich mit gerade 14 Jahren unter Zwang eine Lehre als KFZ Mechaniker. Das war absolut nicht mein Ding. 9 Monate musste ich dahin und erst nach etlichen Auseinandersetzungen mit meinen Eltern und diversen Prügelstrafen, sowie das berühmte Abhauen und wieder eingefangen werden, schaltete sich unser Nachbar Herr Selmke ein und nahm so den positivsten Einfluss auf mein weiteres Leben. Durch seinen Kontakt zur WTAG besorgte er mir meine Lehrstelle.
So kam es, dass ich am 25.05.72 endlich an Bord gehen konnte. Und zwar in Bergeshövede auf MS Plochingen. Ich erinnere mich noch gut an die Kommentare der beiden Selmke Söhne: Boah das ist ein Superschiff. Dazu muss ich sagen, dass es zu der Zeit noch etwas besonderes war wenn man ein versenkbares Ruderhaus, Rollluken und so eine Riesenwohnung hatte. Dazu kamen noch die Abmessungen von 85 x 9.50 und 1523 Ton. Ab dem 25 Mai begann ich also ein völlig anderes Leben. Ich war so froh von zu Hause weg zu kommen, dass ich 7 Monate nicht heim gefahren bin. Die erste Reise ging nach Rotterdam mit Stop in Duisburg, wo wir das Wochenende verbrachten. Dabei bekam ich gleich meine ersten Lektionen die ich bis heute nicht vergessen habe: Ich war am Wochenende allein an Bord und hatte in der Nacht von Samstag auf Sonntag ungebetenen Besuch von 2 uralten Pennern, die glaubten man könne auf der Plochingen übernachten. Gottseidank waren das sehr friedliche Menschen, die mich ab 9.00 Uhr wieder verließen. Das war Nr. 1: Nachts die Tür abschließen!
Nr.2 war: Alle überflüssigen Lampen aus. Montag morgen standen wir ohne Strom da und die Batterien waren megaplatt, sodass wir erst mal mit neuen ausgerüstet wurden. Meine tollste Zeit auf der Plochingen war vom 12.07.72 bis 10.08.74. In dieser Zeit lagen wir in Stuttgard um die Cannstädter Brücke einzuschwimmen.Da sich der Einsatz wegen irgendwelcher statischen Berechnungen verschob, machten der Schiffsführer und der sklaventreibene Matrose 3 Wochen Urlaub. Der Sohn des Schippers war als Ferienjobber an Bord und Aufsicht hatte unser Altmatrose Hermann (Im Zwiefelsfall immer auf unserer Seite). Auf diese Weise hatten wir jede Menge Zeit etliche Freizeitaktivitäten zu tätigen. Das heißt, mal in die Wilhelma ( 5-6 mal) und vor allen Dingen freundeten wir uns auch mit ein paar Landratten in unserem Alter an. Herrlich!!!

Im November 72 durfte ich dann zum ersten mal zur Schifferschule in Petershagen. Zum Einführungslehrgang, son Blödsinn!
Da bei der WTAG Wert darauf gelegt wurde,daß die Schiffsjungen ab und zu die Schiffe wechseln (meistens nach der Schule), war mein Einsatz auf der Plochingen beendet.
Das war mein erstes Schiff bei der WTAG, ob ich für jedes weitere eine Story schreiben kann, weiß ich noch nicht.
Es bleibt noch zu erwähnen, dass mein damaliger Fürsprecher Edwin Selmke im Juni 2009 im Alter von 86 Jahren verstorben ist. Diesen Menschen werde ich wohl nie mehr vergessen.

Schiff Nr. 2 Ms Dorothea, 80 X 9m 1366 T.

Nachdem ich den Einführungslehrgang in Petershagen hinter mir hatte, wurde ich auf der Dorothea untergebracht. Hier trat ich meinen Dienst am 09.12.72 an. Dieses Schiff war eigentlich baugleich mit der Plochingen, nur eben einen halben meter schmaler. auf der Dorothea lernte ich auch den ersten spanischen Kollegen kennen. Das war Jorge Gonzales Martinez und es war immer wieder eine Freude seine sprachlichen Gewandheiten zu hören. So sagte er z.B. “Hey Du machen eine kleine bisken mehr langsam”, wenn er der Überzeugung war das ich zu schnell über Deck flitzte. Da ich auf diesem Schiff nur bis zum 21.02.73 an Bord war, gibt es auch nicht sehr viel zu berichten. Aaaaber… wieder eine Lektion gelernt: Die erste Reise ging von Dortmund nach Antwerpen und weiter nach Marche les Dames!

Dort lagen wir auch über Weihnachten und fuhren natürlich nach Hause. Meine Zugfahrkünste waren in dem Alter von 15 Jahren noch nicht besonders ausgeprägt und so kam es wie es kommen musste. Nach den Feiertagen ging es wieder an Bord. Da mein Kollege und der Schipper aus Ostfriesland kamen, hätten wir im selben Zug gesessen wenn ich den richtigen genommen hätte. Nun ja immerhin bin ich an diesem Tag noch zu meinem Zielort gekommen. Die Bahn fährt in der Gegend am Wasser lang und ich staunte nicht schlecht, als 3 Stationen vor Marche les Dames ein Schiff zu Tal kam das Dorothea hieß. An der nächsten Station konnte ich dann den Zug verlassen. Und dann? Schöne Kacke, kein Geld dabei und kein Mensch verstand meine Sprache da in dieser Gegend ja ausschließlich französisch gesprochen wird. So bin ich dann erst mal zur nächsten Schleuse getappert und erfuhr dort, das 2 Schleusen weiter eine Sperrung war und mein Schiff als Nr. 50 oder so in der Reihe lag. An diesem Tag bin ich ca. 40 km zu Fuss gelaufen (mit einem Riesenkoffer), bis mich ein mitleidiger Autofahrer eingeladen hat und mich in der Nähe der Schleuse absetzte. Die Moral von der Geschichte: Ich habe nie wieder einen Zug verpasst.

Nach 4 Wochen Urlaub bin ich dann auf MS Lahn eingestiegen. Das coole an dem Schiff war das wir mit 2 Schiffsjungen im gleichen Lehrjahr waren. Dieser Einsatz dauerte allerdings nur 4 Wochen, da wir am 06.05.73 einen Neubau aus Bodenwerder abholten. Das war die Karlsruhe. Noch heute könnte ich mir in den Hintern beißen, das ich mit auf diesen Dampfer gegangen bin. Mit der Abfahrt ab Bodenwerder entwickelte sich unser Schipper zum Mega Sklaventreiber und wurde unausstehlich. Auf dem Weg nach Misburg zum Petrolkoks laden, bekam das Schiff schon mal die erste Beule, weil sich in der Schachtschleuse Minden während des Schleusenvorgangs der Draht aushängte (Das kommt davon, wenn man ein Schiff erst beladet und später tauft). Natürlich war der Schiffsjunge schuld weil der ja vorne an Deck war und in diesem Fall war ich das. Seit dem Tag wollte ich nur noch von diesem halbgar gekochten Schiffsführer weg. Da die Strafe ja bekanntlich auf dem Fusse folgt bekam die Flitzpiepe die Quittung eine halbe Stunde nach der Schiffstaufe die in Düsseldorf vor Anker liegend stattfand. Nachdem die Flasche kaputt war und das Komando: Werftflagge ab – Reedereiflagge auf, vollzogen war, machten wir mit dem von Bürokraten übersäten Schiff eine Probefahrt. Beim ausprobieren des Becker Ruders (Unser Superhauptschiffsführermeister kannte bis dahin nur ein normales Haspel), verpasste MS Karlsruhe einem Rückwarth Tanker eine ansehnliche Beule. Natürlich musste unser Superkapitän bei der WSP erstmal blasen. Ratet mal wer die Schuld an der Beule des Tankers hatte??? Genau, der Schiffsjunge der kein Reibholz reingehalten hat. Zwar wären in diesem Fall 3 Reibholzhalter dagewesen, aber da ich ja nicht an Deck sondern in der Küche war um für 30 Sesselfurzer Instant Erbsen Eintopf zu mischen (Bööörks), ist das doch wohl klar… Bei so einer Aktion hat man gefälligst an Deck zu sein!!!

Am 22.07.73 durfte ich dann endlich zur Schifferschule. Gottseidank!

Der Lehrgang der Unterstufe begann am 1.08. und endete am 5.10.72. Was für ne geile Zeit. Nur danach sollte ich dann auf ein anderes Schiff! So kam es, das ich am 13.11.72 nach Lingen gefahren bin und auf der Leda an Bord ging. Dazu muss man wissen, dass ich bis dahin ja ein sehr verwöhnter Moses war, der ja nur auf neuen Schiffen eingesetzt war. Als ich den alten Kübel gesehen habe dachte ich nur Aua-aua-ha! Eisenluken, Eisenmerklinge mit Winkel, Wohnung unter Deck nix wie wieder weg. Von wegen. Schon nach einer Woche war ich völlig anderer Ansicht: Hier traf ich auf den Matrosen Ferdinand Weger aus Rütenbrook und den Schiffsführer Hartwig Ziegler aus Geilnau a/d Lahn. Zum ersten mal in meiner Lehrzeit wurde ich nicht mehr wie der Moses, sondern als Kollege behandelt. Das erste was ich dort gelernt habe war das wichtigste: Der Ferdinand hat mir beigebracht wie man tolle Soßen zaubert. Das hat sich auf fast allen anderen Schiffen ausgezahlt. Wobei ich dadurch wieder eine andere Weisheit entdeckt habe: Wer am Topf steht ist an de Macht!!! 

Positives gab es direkt am ersten Abend, als der Schipper mir sagte das die Eisenluken in Oberhausen in den Schrott geangen sind. Ja und in der zweiten Woche an Bord von MS Leda gings dann auch gleich abenteuerlich los. Von Lingen ging die Reise leer zur Zeche Bismark wo wir Perlkoks für Vlissingen geladen haben. Auch direkt wieder was neues: Deckskleider ziehen. Hat aber Spaß gemacht.

Am 22.11. angekommen und am 24.11 zurück. zumindest ein kleines Stück. Wir hatten eine Schleuse passiert und als wir gerade ausfuhren wurden dort die Sturmbälle hochgezogen. Hat natürlich keiner von uns gemerkt und es war zu dem Zeitpunkt auch nicht sonderlich windig. Und dann gings los, 2 richtige Wellen und die Leda war gebrochen. Und zwar so, das das Miitelschiff hochkam. Sah echt scheiße aus. Wir sind dann schön langsam bis zum Veerhaven gefahren und haben am 1.12. nach diversen Schweißarbeiten mit 2 Schleppern die Überfahrt nach Terneuzen zur Werft gemacht. Bis zum 10 Januar 74 lagen wir dort im Dock und auch diese Zeit war super. Mit diesem Schiff bin sehr viel rumgekommen. Selbst der Neckar bis Altbach war dabei. Gemütliche Liegetage in Antwerpen oder Rotterdam waren häufig der Fall, aber deswegen gabs nie Meckerei Die paar Tage Ruhe wurden immer genossen. Ich glaube, eine der wichtigsten Lektionen die ich auf der Leda begriffen habe war: Das es nicht auf das Schiff ankommt sondern mehr auf die Kollegen. Obwohl ich auf diesem “Kübel” sofort wieder flüchten wollte, bin ich bis zum 8.01.75 dort an Bord gewesen und eigentlich nur runter um die Matrosenprüfung zu machen. Vom 20.01 bis 27.03.75 war ich in Petershagen. Als ich den Brief dann hatte, hatten meine beiden Kollegen das Feld geräumt und die Leda war mit anderem Personal besetzt. Na Gut.. Jetzt begann dann halt das Matrosenleben…. 

 

Das Matrosenleben beginnt

Nach der Schifferschule und mit GUT bestandener Prüfung (Die Note bescherte mir bei der WTAG direkt den Steuermannslohn) ging das Matrosenleben gleich richtig los. Anfang April 1975 hatte ich das Vergnügen auf MS Elbe für eine Reise Vertretung zu machen. Ohweija ohweija. Zwar kannte ich das Schiff, aber das der Schipper mit Spitznamen Promille Willi hieß wusste ich bis dahin nicht. Zu allem Überfluss hatte das Schiff Eisenluken und Eisenmerklinge. Die hatte ich wohl schon mal gesehen, aber noch nie damit gearbeitet. Natürlich ging die Reise nach Rotterdam, mit Kunstdünger ans Seeboot. Da es den ganzen Tag und die Nacht immer wieder regnete gabs direkt den perfekten Unterricht. Als wir endlich leer waren konnte ich mir im Stehen unter den Füßen kratzen. Das schlimmste war allerdings der ständig volle Käptn. Bei dem alten Suppkopp musste ich auch noch im Lotsenzimmer schlafen und das bei nem stinklangweiligen Wochenende in Rotterdam. Gott sei Dank konnte ich nach Beendigung der Anschlußreise nach Dortmund ( mit Eisen von Ijmuiden) wieder von Bord. An diese Tour habe ich nur unangenehme Erinnerungen.

 

Und schon gings weiter!

Runter von der “Elbe” und ab an Bord von MS Wilhelmshaven. Auf diesem Schiff hab ich dann in 2 Monaten gelernt wie man einen Laderaum mit Holzluken im Affentempo auf und zu deckt. Das war jedesmal ein richtiger Wettstreit und machte einen Heidenspaß. Leider war ich dort auch nur als Vertretung eingesetzt und so kam es, dass ich am 9.07.75 auf die Misburg kam. In Bergeshövede eingestiegen und ohne Überstunden mit Zementklinker nach Mertert.

Auf der Misburg lernte ich Henry kennen: Ein klein gewachsener Mann um die 40 und eigentlich ein ruhiger Vertreter. Eigentlich…! Bis wir das Wochenende in Mertert verbrachten und den Samstag abend zum Landgang nutzten.

Das war Henrys Nacht!

Wir hatten beschlossen das Trierer Nachtleben zu erkunden und nach einem ordentlichen Abendessen heiß es: Auf gehts. In dieser Nacht hab ich dann gelernt wie sehr son paar Bierchen einen Menschen doch verändern können. Aus meinem stillen netten Kollegen wurde in kürzester Zeit ein richtiger Terrorist. In einer diversen Bar mit entsprechenden Filmbeiträgen fiel mir das erste mal auf, dass ich statt einem Dackel doch wohl einen Rottweiler als Begleiter hatte. Während wir unser Bierchen genossen, setzte sich ein riesiger Typ an einen Tisch der zwischen uns und der Leinwand stand. Ich vermutete das der wohl ein “Imker” war. Das dumme war das mein Henry nun nicht mehr alles so gut sehen konnte was die Akteure da auf der Bühne trieben und Ratzfatz klopfte er dem Riesen mit aller Kraft auf die Schultern mit den Worten: Musst du deine bescheuerte Affenbirne genau in mein Sichtfeld halten? Vielleicht sollte ich Dir die komische Rübe abhacken? Mein Herzschlag war auf null und ich hielt schon Ausschau nach dem schnellsten Fluchtweg und dann kams… Der Typ dreht sich um (Das totale Boxergesicht nach zig verlorenen Kämpfen), grinst freundlich und sagt: “Oh Entschuldiging, da hab ich gar nicht drauf geachtet.” Der hat mal kurz mit den Fingern geschnipst, 2 Bier für uns bestellt und den Sitzplatz gewechselt. Puuuh…! 10 Minuten später erschien bei uns am Tisch eine sehr stabile farbige Schwalbe und bot uns ihre Dienste an. Auch diesmal klärte mein Henry die Angelegenheit ziemlich aggressiv in dem er die Lady auf übelste beschimpfte.(Alles guckte zu uns rüber). Ich dachte, jetzt fliegen wir raus. Nix war, alles im Lot, die Dame trollte sich und Henry ging erst mal für kleine Königstiger. Der war noch nicht wieder zurück, da startete die Dame von eben noch einen Versuch, diesmal bei mir. Ich konnte die olle Hippe nicht loswerden. Bis Henry kam! Der tippte ihr kurz auf die Schulter und als sie nach hinten schaute hat der ihr voll aufs Auge geschlagen. Die Gute landete genau bei dem netten Boxer von vorhin auf dem Tisch und ich dachte nur: “Beten hilft Dir jetzt auch nicht mehr”. Wieder gut gegangen, uns passierte gar nichts. Nur die Frau kam nicht so gut dabei weg. Anscheinend gehörte sie wohl zum Bienenvolk des Imkers mit dem Boxergesicht und wurde von diesem fachgerecht entfernt.Und was macht mein Henry? Wartet bis der Typ wieder da ist und fordert den direkt auf einen auszugeben wegen der Unannehmlichkeiten. Boah ey… das hat der tatsächlich gemacht. Damit wurde mir der Boden echt zu heiß unter den Füßen und ich überredete meinen kleinen stillen Kollegen Henry mit an Bord zu gehen. Also ein Taxi gerufen und ab. Nur wollte der Fahrer uns aus irgendwelchen Gründen nur bis zur Grenze bringen und so machten wir den Rest zu Fuß. Ein schöner Spaziergang kurz vor Sonnenaufgang bei herrlichem Sommerwetter. Dachte Ich! Bis Henry am Moselufer einen Bauwagen entdeckte, der unbedingt in den Fluss musste. Gott sei Dank hat das nicht so geklappt wie er sich das vorgestellt hatte. Die letzten 200m bis an Bord! Ich bin mal kurz zum Pinkeln an einer Ecke stehen geblieben und Henry war weiter gegangen. Nichtsahnend kam ich dann aufs Hafengelände, wo mir ein unbemannter Radlader entgegen kam der Richtung Kaimauer fuhr und kurz dahinter ein freudestrahlender Henry. Ich weiß nicht wie, aber ich habe das Ding anhalten können. Der wäre über die Mauer und auf die Roof der Misburg gedonnert und aus was für einer Höhe.Das auch noch Sonntagsmorgen um kurz nach vier.

Endlich an Bord… 

Falsch gedacht! In der Zeit wo ich diesen Radlader abgestellt hatte, meinte Henry er müsse unbedingt einen ca. kopfgroßen Findling auf das Roofdach der Eurydyke (oder Aphrodite) befördern. Am liebsten hätte ich den Idioten hinterher geworfen, aber ich hab lieber das Weite gesucht und bin erst 2 Stunden später an Bord gegangen wo dieser Volltrottel auch noch die Tür von innen abgeschlossen hatte. Auf Landgänge dieser Art konnte ich sehr gut verzichten und hab dann Ende August das Schiff gewechselt. Der kleine Dackel ist jedesmal beim Bierchen völlig ausgerastet. Also nix wie weg.

Meine Fahrzeit auf der Misburg endete schlagartig am 26.08.1975 nach einer recht stürmischen Auseinandersetzung mit dem Schiffsführer. Zu dieser Zeit war ich in einem Alter, wo Brüllerei von Seiten der Führung eine sofortige Abmusterung meinerseits zur Folge hatte und so kam es das ich von Datteln direkt nach Dorsten fahren konnte um auf der Hermann Wenzel weiter zu machen. Solche Sachen waren bei der WTAG absolut kein Problem sofern man sonst als zuverlässig bekannt war. Da die Misburg eh jede Menge Zeit hatte (Petrolkoks für Rheinfelden, ohne Überstunden) und H. Wenzel mit Terminladung nach Antwerpen musste konnte ich sogar noch den Retter in der Not spielen. Das schönste war, daß Antwerpen beedeutete: Überstunden – Geld verdienen. Feine Sache.

 

Dachte ich…

 

28.08. Ankunft in Antwerpen und dann…? Schipperstreik!!! War wohl nix. Bis zum 19.09. lagen wir dort rum. Aber trotz allem wars ne tolle Zeit. Wir haben damals sogar Fußballspiele organisiert wie Deutschland – Schweden etc. und haben jede Menge Spaß gehabt. Nebenbei bemerkt war die WTAG eine sehr soziale Firma die uns während der Liegezeit mehrmals mit Super Fresspaketen versorgte, wobei das deutsche Brot der wichtigste Artikel war. Wieder einmal hatte ich das Pech einen Berufsalkoholiker als Kollegen zu haben. Den hat mein jugoslawischer Schiffsführer allerdings recht schnell entsorgt und durch einen Kollegen in meinem Alter ersetzen lassen. Das war schon mal nicht schlecht: Mit 18 Jahren als erster Mann fahren, das war schon was! Leider entwickelte sich der neue Kollege in rasendem Tempo zu einem Faultier ersten Grades, welches auch nur die Sauferei im Kopf hatte. Was nutzte es, auch der wurde gegangen und durch Christian ersetzt. Der war Schiffsjunge im dritten Lehrjahr, schiffisch bis zum abwinken und bei jedem Blödsinn mit dabei. Ab jetzt liefs wie geschmiert. Wir haben zwar jede Menge Unfug gemacht und auch recht ausgedehnte Landgänge unternommen, aber unser Schiff war in Ordnung und sauber.

Anfang Mai 76 lagen wir mit Kohle an der Pier 5 in Rotterdam und haben aufs Seeboot gewartet. Die Wartezeit zog sich fast 3 Wochen in die Länge. Zu der Zeit wurde gerade die Fusion der WTAG und der Stinnes über die Bühne gebracht und da wir mit etlichen Schiffen der WTAG und der Fendel & Stinnes auf das Boot warteten, hatten wir Gelegenheit die neuen Kollegen ausgiebig kennen zu lernen. Jeder kann sich wohl vorstellen, was wir da für einen Spaß hatten. Wie gesagt, die Schiffe waren alle in Ordnung und irgendwie musste man sich ja die Zeit vertreiben. Das klappte immer wieder gut mit Kartenspielen und einigen erstklassigen Grillveranstaltungen. Auch diverse Landausflüge am Sonntagvormittag Richtung Rotterdam City waren im Programm. Die Zeit war super.

Ein sehr störender Faktor bei unseren Aktivitäten war allerdings ein recht stinkiger WTAG Schiffsführer. der es überhaupt nicht leiden konnte wenn die Knechte ( Matrosen ) morgen um 7 noch nicht an Deck waren. Dieser fiese alte Drecksack hatte einen Mordsspaß daran mit seinen erbärmlichen Holzschuhen morgens um 5.30 Uhr auf den Vorschiffen rum zu trampeln um das Fussvolk aus dem Bett zu schmeißen. Gerne hätten wir den alten Stinkstiefel mal baden lassen, aber das macht man halt nicht mit alten Leuten. Der Kacker war damals so um die 60. Also mussten wir uns was anderes ausdenken und nun kam mein Kollege Christian ins Spiel ( Hihi ). Der alte Berufsnörgler, der im übrigen bei seinen Leuten so beliebt war wie Hämoroiden, stellte jeden Abend seine Holzpantinen zum Lüften auf ein Holzrost vor seiner Wohnungstür. Das war was für Christian! Als es richtig dunkel war hat er die Holzschuhe samt Abstellplatz in unseren Maschinenraum gebracht und die Dinger richtig schön fest verschraubt. Das hätte als Rache eigentlich gereicht, wenn wir nicht so viele Geschädigte gewesen wären ( Während der Anschraubaktion waren etwa 20 Leute bei uns im Maschinenraum!). Also musste die ganze Angelegenheit noch aufgewertet werden in dem man an der Wohnung unseres nicht bestellten Weckdienstes sämtliche Fenster schön fingerdick mit Kohlenteer vollschmierte und darauf noch schöne Bildchen draufpappte die aus nicht jugendfreien Heftchen stammten. Die ganze Aktion fand in der Nacht von Freitag auf Samstag statt und war so gut geplant, dass die beiden Matrosen des Schinders schon Freitag mittag nach Haus gefahren sind.

An einem schönen Samstag morgen an der Pier 5 in Rotterdam waren morgens ab 5.00 Uhr sämtliche Matrosen wach und in Lauerstellung. Da kein Licht mehr in seine Wohnung kam wurde der Knallkopf erst so gegen 6.30 Uhr wach und kurz drauf gings ab: Rein in die Holzpantinen? Nee, hat nicht so richtig geklappt. Da die Wohnung ja innen total dunkel war und draußen die Sonne schien hat der erst gar nicht gerafft was los ist. Da gabs erst mal ne 5 minütige Schreierei, bis er dann seine Fenster von außen gesehen hat. Und ab da wars ruhig. Ratet mal wie der das Wochenende verbracht hat? Richtig, mit ganz viel Benzin! Mir hat er dann doch ein wenig leid getan, aber wirklich nur ein ganz kleines bisschen…

Hier berichte ich mal von einem Kollegen der besonderen Art.

 

Ein Kollege namens Poldi!

Als ich 1974 als Schiffsjunge auf der Leda war und mein Matrose Ferdinand in Urlaub ging, bekamen wir als Vertreter eine Matrosen vom GMS Rotterdam. Die Rotterdam lag nach einer Havarie an der Figge Werft in Dortmund und so kam Poldi zur Vertretung auf die Leda. Bis zu diesem Tag kannte ich ihn zwar nicht, aber das änderte sich schnell. Da kamen Abends um 23.00 Uhr 150 bis 170 Kg Lebendgewicht in die Wohnung gewalzt. Puuh, ich war von diesen Maßen ziemlich beeindruckt und musste mit so einer gewaltigen Erscheinung erst mal zurecht kommen. Zudem hatte der Gute auch noch eine sehr tiefe und heisere Stimme und schielte mit dem einen Auge total aus der Richtung.

Naja, sehr schnell stellte ich dann fest, das Poldi ein Gemütsmensch war, den so schnell nichts aus der Ruhe brachte. Hihi, und nach 2 Tagen wusste ich auch was Poldi am liebsten machte… nämlich essen! Niemals habe ich einen Kerl solche Mengen vertilgen sehen. Der schaffte Rekorde von 12 Koteletts mit 70 Pils runter gespült und ging danach noch gerade aus der Kneipe um sich an Bord morgens um 3 erst mal ne Pfanne mit Eiern zu machen. Ein Husarenstück der besonderen Art hatte er sich mal am Proviantboot in Kestert geleistet: Wir hatten alle ziemlich gut eingekauft und unser leicht übergewichtiger Kollege hatte sich unter anderen Leckereien auch einen Ring Fleischwurst mit Knoblauch gekauft. Er hatte als erster bezahlt und war so natürlich auch zuerst aus dem Boot. Da ich für die Küche zuständig war, brauchte ich noch etwas länger und hatte Kartoffeln etc. schon mal in die Gangbord gestellt, die Poldi dann auch bei 2 Gängen mit nach vorne nahm. Bei der zweiten Tour kam ich dann auch wieder an Bord und bekam gerade noch mit, wie der letzte Zipfel der Fleischwurst vorne über Bord geworfen wurde. Der Provianter wollte gerade ablegen, als Poldi noch mal fix nach achtern kam um noch eben einen Ersatz für seine frisch vertilgte Wurst orderte. Beim Mittagessen etwa eine Stunde später, kam dann prompt der Spruch: „Ich weiß gar nicht warum ich so dick bin, ihr seht ja wie wenig ich so esse.“ Da hatte keiner von uns einen Kommentar zu vergeben. Poldi war halt ein richtiges Original der am Monatsende per Vorschuss meistens in die roten Zahlen kam und immer wieder Leute fand die ihm was gepumpt haben oder die schon mal ein nagelneues Kofferradio von ihm zum halben Preis kauften. Und noch ein Problem hatte unser Dicker: Wenn nicht gerade Landgang angesagt war glaubte er fest daran, dass wenn man sehr vorsichtig schläft eine Körperreinigung nicht unbedingt erforderlich sei. Ebenso war er der Meinung, dass man Frikadellen backen konnte ohne sich vorher die Hände zu waschen, um sich dann beim Braten derselben mal ab und zu genüsslich mit der Gabel am Rücken zu kratzen. Nun so war er eben. Trotz dieser kleinen Fehler war Poldi ein absolut loyaler und tofter Kollege der einem immer aus der Patsche geholfen hätte. Und ganz wichtig war sein Sinn für Humor. Während seiner Zeit bei uns auf der Leda haben wir fast jeden Abend vom Plattenspieler Otto gehört und enorme Mengen Pfannkuchen mit Backobst vertilgt. Da wurde Abends auch noch Mensch ärgere dich nicht und Karten gespielt. Ebenso waren ausgedehnte Schwimmveranstaltungen und Ausflüge mit dem Beiboot auf dem Programm. Poldi war zwar nicht der schnellste und auch nicht der sauberste, aber er war ein Kollege auf den man sich verlassen konnte wenn´s drauf ankam. Und nur das zählt. Poldi kam aus der Cloppenburger Gegend, hieß mit richtigem Namen Hans Schröder und ist vor einigen Jahren ziemlich einsam in Duisburg verstorben. Die letzten Jahre bewohnte er ein Zimmer in Ruhrort in der Kneipe zur Quelle. Es gibt bestimmt eine ganze Menge Leute, die Poldi kannten.

Ich bin einer von denen die ihn bestimmt nicht vergessen werden und schmunzle immer wieder wenn ich an ihn denke.